Wie kam es zum "deutschen Überfall auf Polen"? Stefan Scheil wagt einen ungewohnten Blick auf die europäische Politik der Zwischenkriegszeit: den der polnischen Regierung. Detailliert zeigt er, wie diese sich zwischen Größenwahn und präventiver Verteidigung ihrer Unabhängigkeit bewegte.
96 S., geb.
Gesine Schwan, wiederholt Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, warf dem Historiker Stefan Scheil 2006 vor, er habe in einem Zeitungsartikel für die FAZ den deutschen Drang nach Osten als bloße Reaktion auf den polnischen Drang nach Westen dargestellt. Schwan hatte Unrecht - wie alle, die historische Abläufe nur schwarz oder weiß zeichnen können.Scheil ist als unabhängiger Forscher frei von ideologischem Ballast zeitgenössischer Geschichtsvereinfachung, denn er weiß: Die Ära der Weltkriege kennt keine Alleinverantwortungsszenarien. Gemäß dieser Maxime und entgegen der etablierten These von der einseitigen Kriegsschuld Deutschlands oder einem deutschen Überfall auf Polen, aus heiterem Himmel im September 1939 untersucht Scheil eben jenes folgenreiche Vorspiel zu einer späteren Ausweitung des Kriegs zum Weltanschauungskrieg.Der Autor betritt hierfür vermintes Terrain und wagt eine neue Perspektive: die der Warschauer Regierung. Diese entschied sich 1939, den lange erwarteten Konflikt mit Deutschland noch im selben Jahr auszutragen. Auf welchen ideengeschichtlichen, historischen und politischen Voraussetzungen das beruhte und wie dies im einzelnen geschehen konnte, ist Thema dieser dritte kaplaken-Bands aus der Feder Stefan Scheils: eine konzentrierte Einführung ins polnische Kalkül zwischen Größenwahn und präventiver Verteidigung der wiedergewonnen Staatlichkeit.Scheil betrachtet die deutsch-polnische Krise im gesamteuropäischen Rahmen und steckt in einer detaillierten Frage-Antwort-Liste den diplomatischen Rahmen ab, innerhalb dessen die deutsche Regierung agieren mußte.