Deutschland um 1900 das anbrechende 20. Jahrhundert scheint es gut mit den Deutschen und dem Wilhelminischen Reich zu meinen. In den emporwuchernden Mietskasernen für das neue Industrieproletariat der Großstädte mag es gären, doch auf den Ringstraßen der Großstädte flaniert man stolz vor bürgerlichen Prunkbauten, die Wirtschaft floriert, Adel und Militär genießen uneingeschränktes Sozialprestige, und die Mehrheit der Bevölkerung verehrt den Kaiser und übt sich im Untertanengeist. Wilhelm II. liebt seine Dackel, die Marine und Weltmachtträume, die bis China reichen. In Übersee reifen die Kolonialwaren, der Rhein ist romantisch und Elsass-Lothringen deutsch. Auf den rund 800 Bildern dieses Bandes zeigt sich Deutschland überwiegend so, wie es sich gerne sah: selbstbewusst, glanzvoll, patriotisch, bodenständig, konservativ, aber auch fortschrittsgläubig und wenn man es sich leisten konnte mondän.
Wie schon bei dem TASCHEN-Bestseller America 1900 handelt es sich bei diesen Bildern um besonders schöne Beispiele für das historische Photochrom-Verfahren, eine Drucktechnik, die Schwarz-Weiß-Fotografien Farbe verlieh. Die Reise führt von den Lustschlössern Ludwigs II. in den bayerischen Alpen bis in die Seebäder an Nord- und Ostsee durch ein Deutschland, das gerade einen Modernisierungsschub vom Agrarstaat hin zum Industriestaat erlebt, aber noch stark seinen traditionellen Wurzeln verhaftet ist. Bilder von mittelalterlichen Städten, ländlichem Brauchtum und als erhaben wahrgenommenen Landschaften stehen so einträchtig neben Darstellungen technischer Neuerungen und moderner Gründerzeitboulevards. Das Porträt eines Landes im Aufbruch.
612 S. , geb.