IfS

Die Neue Rechte

Sinn und Grenze eines BegriffsInstitut für Staatspolitik, Wissenschaftliche Reihe, Heft 5

Sofort lieferbar Artikelnummer: 88309
ISBN / EAN: 9783939869054
Sinn und Grenze eines Begriffs

Institut für Staatspolitik, Wissenschaftliche Reihe, Heft 5

38 S., Pb.

Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem Phänomen einer "Neuen Rechten" in Deutschland befaßt ("Die Kultur als Machtfrage. Die Neue Rechte in Deutschland"). Ziel dieser Neuen Rechten sei es, gesellschaftliche Diskurse zu prägen und Begriffe zu besetzen, kurz: die kulturelle Hegemonie in Deutschland zu erringen.Man könnte es sich leicht machen und mit ein oder zwei Sätzen darauf verweisen, daß der Versuch, in einem pluralistisch verfaßten Gemeinwesen Diskurse zu prägen und Begriffe zu besetzen, Kennzeichen des Pluralismus selbst sei und zu seinen notwendigen Voraussetzungen gehöre. Ganz in dieser Manier sind ja die Auslassungen der NRW-Studie angelegt: diskursprägend und begriffsbesetzend. Jedoch kann man nach der Lektüre nicht so recht darauf setzen, daß hier ein pluralistischer Wettbewerb angestrebt werde. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Studie vielmehr als wissenschaftlich getünchte Bekämpfung politischer Gegner, mit allen polemischen Kennzeichen eines solchen Verfahrens.Auch dies wäre noch kein Grund, sich zu empören, wenn es sich um den üblichen Sappen-Vortrieb einer politischen Gruppierung handelte. Jedoch ist in diesem Fall die federführende Stelle eine staatliche Behörde. Polemik von dieser Seite kann nicht akzeptiert werden.

Das IfS hat deswegen eine eigene Untersuchung erarbeitet: "Die Neue Rechte. Sinn und Grenze eines Begriffs". Sie ist als Antwort auf die NRW-Studie zu verstehen und rückt zwei Begriffe in den Vordergrund: den "Binnenpluralismus" und "Herrschaft des Verdachts".Unter "Binnenpluralismus" ist die innere Uneinheitlichkeit einer politischen Strömung zu verstehen. Dieser Sachverhalt trifft in besonderem Maße auf die "Rechte" zu, deren Geschichte als dauernde Ablösung von alten durch neue Positionen zu beschreiben ist. Der Soziologe Stefan Breuer hat in seinen Arbeiten zur Geschichte der Rechten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es die Rechte im strengen Sinn gar nicht gebe, sondern eine Vielzahl von Strömungen, deren Divergenz nicht nur scheinbar oder vorgetäuscht, sondern eine Tatsache sei (vgl. z.B. Breuer, Kursbuch, Dezember 1998).
Vor allem kann überhaupt keine Rede sein von einem geheimen Strategiepapier der Rechten, die jede Aktion oder Bewegung kontrolliert und auf ein gemeinsames Ziel hin ausrichtet. Genau diese "Agententheorie" wird aber von Rechtsextremismus-Päpsten wie Armin Pfahl-Traughber oder Wolfgang Gessenharter vertreten, die von einer homogenen rechten Bewegung ausgehen, aufgespannt zwischen bekennenden Neonazis und "Extremisten der Mitte" innerhalb der CDU.

Wer so eklatant Differenzierung verweigert, hat offensichtlich kein Erkenntnisinteresse, sondern das Bedürfnis, ein möglichst scharf konturiertes Feindbild zu schaffen.Von dieser Position aus ist es nur ein kleiner Schritt zur Etablierung jener Herrschaft des Verdachts, von der Hegel wußte, daß sie der Inquisition vorarbeite. Wer dann unter Verdacht gestellt wird, hat faktisch keine Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen: Man legt ihm keine Taten, sondern Gedanken zur Last und erklärt ihm, daß man seiner Darlegung dieser Gedanken keinesfalls Glauben schenken werde. So wird der Verdächtige - ganz gleichgültig, was er sagt oder tut - als grundsätzlich schuldig betrachtet.Das IfS wird mit seiner Studie diejenigen, die die Herrschaft des Verdachts eingerichtet haben, nicht erreichen. Es geht aber darum, Begriffe zu schärfen und Strukturen zu verdeutlichen, die dann in der politischen Diskussion oder auf dem Feld der juristischen Auseinandersetzung Anwendung finden können.

Es liegen keine Bewertungen zu diesem Artikel vor.